Veröffentlicht am: 28. Juni 2023

23. Konferenz für Planerinnen und Planer NRW Klimaresilienz und Raumentwicklung

© ILS/Sandra Paßlick

© ILS / Sandra Paßlick | Über 100 Teilnehmende diskutierten auf der Konferenz für Planerinnen und Planer NRW

Die Starkregen- und Hochwasserkatastrophe im Südwesten Nordrhein-Westfalens und im Norden von Rheinland-Pfalz im Sommer 2021, der über Wochen heiße und viel zu trockene Sommer 2022 oder Waldbrände in ganz Europa sind nur einige Ereignisse, die den hohen Handlungsdruck mit Blick auf den Klimawandel zeigen. Welche Möglichkeiten es auf den verschiedenen politischen Ebenen gibt, um den Lebensraum resilienter zu gestalten, war Thema der 23. Konferenz für Planerinnen und Planer NRW Ende März 2023. Mit über 100 Teilnehmenden war die Veranstaltung im Baukunstarchiv NRW in Dortmund sehr gut besucht.

Nach einer Begrüßung durch ILS-Direktor Prof. Dr. Stefan Siedentop und Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal hat Michael Hermanns vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr über die Aktivitäten des Landes zur Steigerung der Klimaresilienz gesprochen. Er erläuterte, dass alle Landesministerien die Relevanz des Themas und das Erfordernis des Handelns erkannt hätten. Daher gebe es auf Landesebene mittlerweile vielfältige, sehr unterschiedliche Förderangebote für die Kommunen in NRW. So gebe es ganz konkrete Fördermaßnahmen z.B. für Gründächer oder die Begrünung für Plätze, Kitas und Schulen. Daneben gebe es umfassendere Förderprogramme wie zwei Leitprojekte der Landesregierung aus der Ruhr-Konferenz: Mit der „Charta Grüne Infrastruktur Metropole Ruhr“, vom RVR koordiniert, sollen die Ruhrgebietsstädte durch eine gemeinsame Vision über ihre „grünen Flächen“ robust gegenüber den Klimaveränderungen werden. Genauso verhalte es sich mit dem Projekt „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“, mit dem die Städte, Wohnungsbaugesellschaften oder Unternehmen im Ruhrgebiet finanzielle Mittel erhalten können, Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung umsetzen zu können. Zum Abschluss rief er die Kommunen dazu auf, die Angebote der Landesregierung zur Unterstützung anzunehmen. Denn um unseren Lebensraum klimaresilient zu machen, brauche es die Zusammenarbeit auf allen Ebenen – Politik, Verwaltung, Planung, Wissenschaft, Gesellschaft –, einen politischen Handlungswillen, einer Umsetzung auf Verwaltungsebene sowie das Handeln jedes einzelnen Menschen.

Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen führen nicht zu einer Verbesserung des Klimas
Eine Einordnung des aktuellen Sachstandberichts des Weltklimarates (IPCC) kam von Meteorologe Guido Halbig vom Deutschen Wetterdienst. Als beteiligter Autor am 6. IPCC-Berichtszyklus gab er zunächst einen sehr beeindruckenden Einblick in die Aufgaben und die Arbeitsweise im Weltklimarat. Die beteiligten Wissenschaftler*innen trügen die vorliegenden Erkenntnisse zur Klimaveränderung zusammen und bewerteten diese aus wissenschaftlicher Sicht. Der abschließende Bericht enthielte keine politischen Empfehlungen, aber politikrelevante Aussagen. Demnach würde für die Zusammenfassung der politischen Entscheidungsträger jeder Satz auf politische Relevanz, Verständlichkeit und Ausgewogenheit geprüft und einzeln von den Mitgliedsregierungen verabschiedet. Darüber hinaus ging Guido Halbig auch auf den gegenwärtigen Stand und die Entwicklung der Klimaveränderungen ein. Er stellte fest, dass die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen aktuell keine sichtbaren Verbesserungen zeigten, was enttäuschend sei. Es klaffe eine große Lücke zwischen den in Plänen und Programmen festgelegten, ambitionierten Zielen und der Umsetzung. Diese müsse geschlossen werden, denn Risiken, Verluste, Schäden und Kosten stiegen mit jeder noch so kleinen Zunahme der Temperatur weiter an. Zudem müsse bei allen Maßnahmen zur Klimaanpassung immer überlegt werden, ob diese Maßnahme auch in Zukunft in einem wärmeren Klima funktionieren würde. Er schloss seinen Vortrag mit dem Appell, dass es doch immer besser sei, in vielen kleinen Einzelschritten etwas zu unternehmen als nichts zu machen und abzuwarten. Wir sollten daher das noch bestehende Möglichkeitsfenster ohne zu zögern nutzen, um eine lebenswerte Zukunft zu bewahren.

Menschen in Hochwassergebieten müssen besser informiert werden
Von der Universität Stuttgart war Prof. Dr. Jörn Birkmann zu Gast. Er ist ebenfalls Autor des IPCC-Berichts. In seinem Vortrag ging es dieses Mal jedoch um seine Forschung und den Wiederaufbau im Ahrtal nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021. Aus seiner Sicht müsste zum einen die Verwundbarkeit von Infrastruktur und Bevölkerungsgruppen bereits im Vorhinein stärker berücksichtigt werden und zum anderen über Risiken und Gefährdungslagen weitaus besser informiert werden. So gaben in einer Befragung 80 % der Betroffenen an, nicht gewusst zu haben in einem hochwassergefährdeten Gebiet zu wohnen. Daneben stellten die Forschungsarbeiten auch heraus, dass wir auf die Wiederaufbauarbeit gegenwärtig weder methodisch und instrumentell noch finanziell und strategisch ausreichend gut vorbereitet sind. Förderprogramme und finanzielle Mittel des Wiederaufbaus, Rechte und Gesetze begünstigten die Kompensation von Schäden am gleichen Standort und damit den Wiederaufbau bisheriger Strukturen, was einem klimaresilienten Auf- und Umbau entgegenstehe. Hier seien eindeutig mehr Flexibilität, neue Rahmenbedingungen und Anpassungen bzw. besseres Zusammenführen von Förderprogrammen gefordert, böten doch gerade solche Wiederaufbauprozesse die Chance für einen an die Klimaveränderung angepassten und resilienten Wiederaufbau. Insofern sollte Klimaresilienz als Belang einer nachhaltigen Raumentwicklung weiter konkretisiert und Innovationen und Lernprozesse besser dokumentiert werden, um Veränderungen anzustoßen und umzusetzen.

Bundes- und Ländervorgaben könnten politische Entscheidungsträger entlasten
In der anschließend von Prof. Dr. Stefan Siedentop (ILS/ ARL LAG NRW) moderierten Diskussion ging es um Fragen der Governance – bei den zunehmend komplexer werdenden Sachverhalten und dem gleichzeitigen Erfordernis für mehr Kooperation stießen Governanceprozesse methodisch und politisch an ihre Grenzen. Die Raumordnung sollte daher stärker ihre Funktion als koordinierende und integrierende Führungsinstanz wahrnehmen. Ebenso entlastend wäre es, wenn politische Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene politische Diskussionen/Auseinandersetzungen umgehen könnten, indem sie sich verstärkt auf Bundes- und Ländervorgaben und -regularien berufen könnten. Zudem wurden auch Fragen der Wahrnehmung, des Bewusstseins und der Information über beispielsweise historische Hochwässer oder Gefährdungslagen von Hochwassergebieten thematisiert. Es wurde offensichtlich, dass „Klimakommunikation“ essenziell wichtig sei, die nicht nur auf intellektueller Ebene betrieben werden müsse, sondern bereits in der Schule und über jegliche Informationsmöglichkeiten, um die Bevölkerung mitzunehmen. Dennoch sei ebenfalls nicht von der Hand zu weisen, dass Menschen bestimmte, insbesondere unangenehme Tatsachen und Entwicklungen ignorierten oder verdrängten, trotz aller geschichtlicher Dokumentation und vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Klimaresilienz auf kommunaler, regionaler, Landes- und Bundesebene
In drei parallelen Workshops wurden anschließend viele der aufgekommenen Aspekte und Themen intensiver erörtert und übergreifende Strategien, integrative Ansätze und innovative Ideen diskutiert. Auf das größte Interesse stieß der Workshop „Quartier und Kommune“. Prof. Dr. Stefan Greiving von der TU Dortmund erläuterte in seinem Input die rechtlichen Grundlagen von Klimaanpassung in der Stadtentwicklung und in der Bauleitplanung. So sei die Klimaanpassung, insbesondere auch die Umweltprüfung, Pflichtaufgabe in der Bauleitplanung und auch Bestandteil der Daseinsvorsorge und der Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen. Durch Starkregenereignisse oder Hochwassergefahren haben es die Planenden jedoch allzu oft mit Ungewissheiten zu tun, die die Planung erschweren, auch wenn sie zwar prinzipiell reduzierbar, aber nicht überwindbar seien. Daher müsse Planung lernen mit diesen Ungewissheiten im Planungsprozess umzugehen und könne dies über die sog. „Einschätzungsprärogative“ auch rechtssicher gewährleisten. Ergänzend dazu stellte Simone Raskob von der Stadt Essen die dortigen Maßnahmen für eine klimaangepasste Quartiersentwicklung vor. Sie erläuterte, dass eine durchgeführte Klimaanalyse, die u.a. die Entstehung von Hitzeinseln aufgezeigt hat, nun zu einer Betroffenheitsanalyse weiterentwickelt würde. Dadurch solle herausgefunden werden, wie stark sensible Einrichtungen und bestimmte Bevölkerungsgruppen von der Hitze betroffen seien. Daneben benannte sie als aktuelle Herausforderungen private Eigentümer*innen, die sich nur schwer zu klimaangepassten Nachrüstungen ihrer Gebäude bewegen ließen. Dazu würden nun Pilotprojekte für eine bessere Zusammenarbeit gefördert werden. Anschließend ging es in der von Felix Blasch (Stadt Mülheim an der Ruhr/ DASL LG NRW) moderierten Diskussion zum einen um die Frage, wie der Hochwasserschutz und die Gefährdung durch Hochwasser im Bewusstsein der Bevölkerung verankert werden könnten. Hier wurden lokale Einrichtungen wie die Feuerwehren als hilfreiche Institutionen genannt. Zum anderen sei es wichtig auf der kommunalen Ebene ein übergreifendes Gremium zu haben, das sich mit diesen Themen beschäftigt. In Essen gebe es sogenannte „Klimaampeln“ für den Klimaschutz, die für beantragte Maßnahmen die Klimaauswirkungen aufzeigt. Die Klimaampel werde nun auch für den Bereich der Klimaanpassung eingeführt.

Daten als Handlungsgrundlage für die räumliche Transformation
Im von Maria T. Wagener (Regionalverband Ruhr/ ARL LAG NRW) moderierten Workshop „Region“ wurde aus zwei Projekten auf der regionalen Ebene berichtet. Zunächst stellte Dr. Reimar Molitor vom Region Köln/Bonn e.V. das auf dem Agglomerationskonzept und der Klimawandelvorsorgestrategie basierende Agglomerationsprogramm Köln/Bonn vor. Dieses stelle die gesamtregionale Handlungsgrundlage für eine nachhaltige räumliche Transformation dar, in dem sowohl räumliche Umbauaufgaben wie Nachnutzungen, Bestandsumbauten, Konversion als auch sich daraus ergebende Nutzungs- und Raumkonflikte abgebildet seien. Über Planungshinweiskarten, die auch in GIS zugänglich gemacht wurden, sind Projekte und Maßnahmen parzellenscharf verortet worden und mit weiteren Informationen wie dem Umsetzungsstand oder der finanziellen Förderung hinterlegt. Damit sei eine Informationsgrundlage und eine leichte Zugänglichkeit für die Bürger*innen und für die Politik geschaffen worden. Anschließend berichtete Jürgen Schultze von der Sozialforschungsstelle TU Dortmund über Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projekt „Evolving Roadmapping“. Ziel sei es Regionen des ländlichen Raums in NRW und in den Niederlanden klimarobust und klimasmart zu entwickeln. Das Projekt habe zu mehr Sensibilisierung, Vernetzung und einem nationalen Wissensaustausch, einem dauerhaften Kapazitäts-, insbesondere Personalaufbau, und einer Verstetigung durch ein in den meisten Regionen politisch verabschiedetes integriertes Klimaanpassungskonzept geführt. Die sich anschließende Diskussion zeigte, dass fehlende finanzielle wie auch personelle Ressourcen sowie die vorhandenen Fördersystematiken nach wie vor große Herausforderungen darstellten, die von der Politik deutlicher angegangen werden müssten. Positiv wurde konstatiert, dass eine gezielte Steuerung von Fördergeldern machbar und zielführend sei, Regionen gut als Multiplikatoren agieren und Arbeit in Projekten zur Beschleunigung eines klimaresilienten Umbaus beitragen könnten.

Klimaschutz als globale Aufgabe
Im Workshop „Land und Bund” blickte Prof. Dr. Charlotte Kreuter-Kirchhof von der Universität Düsseldorf aus juristischer Sicht auf die Kompetenzverteilung bezüglich des Klimaschutzes. Der Bund sehe bisher einen sektorspezifischen Ansatz und feste Ziele statt einer dynamischen Strategieentwicklung vor, wie es die EU-Staaten mit dem Pariser Klimaschutzabkommen 2015 festgelegt haben. Da Klimaschutz eine globale Aufgabe sei, sei es sinnvoll, Minderungsziele und Strategien auf der obersten Ebene festzulegen und Anpassungsmaßnahmen auf den unteren Ebenen anzugehen. Danach ging Klaus Einig vom BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung konkret auf den Bundesraumordnungsplan Hochwasser ein. Dieser sei neben zwei anderen als ein erster solcher Plan im Rahmen des neuen Instrumentariums der „Raumordnungspläne auf Bundesebene“ eingeführt worden. Dadurch, dass er keine zeichnerischen Festlegungen enthalte, wirke er eher wie ein Gesetzestext. Als große Herausforderung stelle sich zurzeit die Umsetzung auf der Landesebene und den darunter liegenden Ebenen dar, müssten doch die Landesraumordnungspläne an die Bundesraumordnungspläne angepasst werden. Dieses geschehe aber nur sehr zögerlich, auch eine Frist sei nicht vorgegeben worden. In der anschließenden, von Prof. Dr. Susan Grotefels (ZIR Universität Münster/DASL LG NRW) moderierten Diskussion ging es neben Detailfragen zu zeichnerischen Festlegungen insbesondere um Fragen der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sowie einen verbindlichen Austausch zwischen Wissenschaft, Verwaltung und Politik.

Wasserpläne als Leitlinie
Die Abschluss-Keynote hielt Prof. Antje Stokman von der HafenCity Universität Hamburg. Als Expertin für das Konzept der „Schwammstadt“ stellte sie ausführlich Strategien und Konzepte für die wasserbewusste Stadt der Zukunft vor. Sie präsentierte zahlreiche Beispiele und warf auch den Blick in europäische Nachbarländer wie die Niederlande und Dänemark, wo es bereits seit langem sogenannte Wasserpläne gibt, die wasserwirtschaftliche und städtebauliche Pläne zusammenbringen, sodass sie eine strategische Leitlinie für ortsbezogene Maßnahmenkonzepte bieten. Dabei seien sämtliche räumlichen Planungsebenen von der regionalen bzw. gesamtstädtischen Ebene bis zur kleinräumigen Quartiersebene zu berücksichtigen. Als einen großen Vorteil stufte Stokman ein, dass die für Entwässerung vorgesehenen Flächen zugleich für andere Zwecke des öffentlichen Lebens wie als öffentliches Grün, für Spiel und Sport und damit multifunktional genutzt werden könnten. Sie schlussfolgerte, dass durch die sichtbare, gut gestaltete und erlebbare Integration der blau-grünen Infrastruktur in die Stadt- und Raumentwicklung sowohl die Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels erhöht als auch gleichzeitig ein gestalterischer, funktionaler und sozialer Mehrwert für öffentliche Freiräume und ihre Nutzer*innen generiert werden könnten.

In ihrer Verabschiedung fasste Dr. Martina Oldengott (IGA Metropole Ruhr 2027/DASL LG NRW) den äußerst gelungenen Konferenztag mit seinen Vorträgen, Diskussionen und Inputs zusammen und beschloss die Konferenz damit, dass wir jeden einzelnen Raum zu unserem Bündnispartner machen sollten, um Klimaschutz und Klimaanpassung erfolgreich zu betreiben.

Die Vorträge von Michael Hermanns, Guido Halbig, Jörn Birkmann und Antje Stokmann wurden per Video mitgeschnitten und sind auf dem ILS-Vimeo-Kanal veröffentlicht. Zudem stehen auf Nachfrage die Präsentationen der Vortragenden zur Verfügung.

Die Konferenz für Planerinnen und Planer NRW greift aktuelle Fragen der Stadt- und Regionalentwicklung auf, um diese inter- und transdisziplinär zu erörtern und auf diese Weise den Dialog zwischen Wissenschaft und Planungspraxis sowie mit der Politik zu fördern. Sie wird seit Mitte der 1990-er Jahre alle eineinhalb Jahre in Kooperation von ILS (Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung), ARL (Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft und ihrer Landesarbeitsgemeinschaft Nordrhein-Westfalen) sowie der DASL (Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung und ihrer Landesgruppe Nordrhein-Westfalen) veranstaltet.

Ansprechpartnerin im ILS:

Sandra Paßlick
ILS, Stabsstelle „Forschungskoordination“
Telefon: +49 (0) 231 9051-110
E-Mail: sandra.passlick@ils-forschung.de

Pressekontakt:

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ILS, Stabsstelle „Transfer und Transformation“
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Aktualisiert am: 28. Juni 2023